Der Schrecken über
die vorweihnachtliche weiße Pracht im Münsterland
stand Harry Roels noch ins Gesicht geschrieben.
„Energie-Versorgungskrise“
war da noch die harmloseste Bezeichnung für das Desaster,
welches im vergangenen November über die
Energie-Versorgungsnetze der RWE im Münsterland hereinbrach.
Schuld
daran war die weiße Pracht, die in unerwarteten Mengen
in kürzester Zeit fiel. Es lag nicht an den verbauten
Materialien, nicht an den Überlandleitungen und Masten; da
befand sich alles im grünen Bereich. Es lag an der
Überschreitung der Sicherheitsnormen durch die Schneemassen um
bis das 14-fache. „Aber wir haben aus diesen
Erfahrungen gelernt und werden unser Krisen- und Katastrophenmanagement
weiter ausbauen und verbessern“ so Roels in seinem Vorwort
auf der Bilanz-Pressekonferenz der RWE AG. „Für die
Zukunft planen wir Investitionen in Milliardenhöhe, denn wir
haben in unserem diesjährigen Geschäftsbericht eine
Aussage gemacht, die es einzulösen gilt. Versorgungssicherheit
ist ein bedeutendes Versprechen, das es jeden Tag aufs Neue
einzulösen gilt, und zwar vom ersten Januar bis zum
einunddreißigsten Dezember rund um die Uhr.“
Energiekosten
Roels
kam danach schnell zur Sache und ging in seinen Ausführungen
auf die Thematik der hohen Gas- und Strompreise ein. Energiekosten sind
nicht Gottgewollt sondern das Ergebnis von Angebot und Nachfrage.
Deutschland ist nun mal keine Insel die sich von globalen Entwicklungen
abschotten kann, wenn zum Beispiel überall die Preise
für Energie steigen. Mit
Blick auf unsere Nachbarn wies Roels
auf die Preisentwicklung in Großbritannien, Frankreich,
Belgien, Spanien und Holland hin. Dort lägen die
Großhandelspreise teilweise um ein Erhebliches über
dem in Deutschland. Leider hat man dem deutschen Verbraucher nach der
Liberalisierung der Energiemärkte in dem Glauben gelas-sen,
dass es für Energiepreise am Markt zukünftig nur noch
eine Richtung gäbe – die nach unten. Das war falsch
und unverantwortlich. Andererseits greifen die Mechanismen des Marktes
und funktionieren, dennoch ist der Markt noch nicht vollkommen. Die
Gewinne der Unternehmen – so Roels – werden
benötigt, um die anstehenden Investitionen zu verwirklichen.
Ohne diese sei sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die
Versorgungssicherheit nicht gewährleistet.
Kerngeschäft Energie
RWE
wird sich zukünftig auf den Kernbereich Energie konzentrieren.
Die geplanten Verkäufe der Wasseraktivitäten sind ein
untrügliches Zeichen und ein Signal mit Blick nach vorn.
Energie
heißt die Losung der Stunde, mit der bei RWE ein
neues Kapitel aufgeschlagen wird. Auch der RWE Konzern kommt nicht
daran vorbei seine Chancen dort zu suchen, wo sich dem Unternehmen die
größten Wachstums- und
Wertschöpfungsmöglichkeiten bieten – im
Kerngeschäft Energie – sprich Strom und Gas. Als
Wasserversorger wird RWE nur noch in Kontinentaleuropa aktiv sein und
auch nur dort, wo der Konzern über entsprechende
Kapazitäten in den Segmenten Strom und Gas verfügt.
Roels bekannte sich für das Unternehmen RWE zum Standort
Deutschland und zu Europa, denn dort will RWE zu den führenden
Strom- und Gasversorgern gehören. Die Energieversorgung
– sprich Stromerzeugung steht bei RWE an erster Stelle. Das
ist unser wirkliches Geschäft, so Roels, und hier werden wir
neue Kraftwerke bauen und betreiben, wie sie die Welt noch nicht
gesehen hat. Die RWE ist in Deutschland die Nummer eins, und wir werden
auch in Europa – so Großbritannien und Ungarn
unsere Chancen erkennen und wahrnehmen, um dort profitabel zu wachsen.
Ein Weg zum Erreichen dieses Zieles ist die Gewinnung von Neukunden,
welche wir in England mit großem Erfolg betreiben. Die im
Gasgeschäft anstehenden Optionen beobachten wir sehr
aufmerksam, und so steht die Beteiligung an oder der Kauf von
Gaspipelines auf unserer Wunschliste. Denn nur eine absolut sicher
funktionierende Transportlogistik gewährleistet eine optimale
Versorgungssicherheit. So ist es nur logisch, dass der Ausbau der
Förderung eigener Rohstoffreserven (Öl-und Gas) das
organische Wachstum des Konzerns begünstigt. Die
Abhängigkeit von fremdbestimmten Energielieferungen darf auf
keinen Fall dazu führen, dass die wirtschaftliche wie
politische Handlungsfähigkeit Deutschlands
eingeschränkt wird. Wir müssen in unserer
Energieversorgung autark bleiben und uns die Optionen sichern, die eine
langfristige Unabhängigkeit garantieren.
Gasverflüssigung
Der
Einstieg in den Markt für flüssiges Gas ist ein
weiterer Schritt in diese Richtung, der sich an globalen Wachstumsraten
orientiert. In diesem Segment plant RWE die Absicherung der Produktion
durch Beteiligungen und Lizenzen. Darüber hinaus will die RWE
– so Roels, den Ausbau der Gasinfrastruktur – Bau
von Speichern und Pipelines in Deutschland und Europa vorantreiben. Die
Vorstellungen bei der Unternehmensführung sind klar und
eindeutig benannt. Jetzt gilt es wie schon zuvor Disziplin und
Augenmaß zu wahren, um die zukünftige Zielrichtung
des Konzerns zu bestimmen. Akquisitionen werden nur dann
getätigt, wenn die Zukäufe in unser Konzept passen
und wenn sie den Konzern profitabel wachsen lassen. Wir sind derzeit in
einer guten finanziellen Verfassung, wir haben Kohle übrig.
Aber wir besitzen auch das nötige Augenmaß um zu
erkennen, dass die Zeit noch nicht gekommen ist um über
vernünftige Akquisitionen nachzudenken.
Großkraftwerke
Die
in Hamm und Neurath geplanten Großbauten – sprich
Kraftwerke – werden in diesem Jahr begonnen, und auch im
britischen Strommarkt steht RWE vor wichtigen Entscheidungen. Die
von
uns vorgesehenen Investitionen, so Roels, liegen bei 3,5 Mrd. Euro pro
Jahr. Wir können uns diese Ausgaben erlauben, weil sie zum
einen unabwendbar sind und zum anderen weil wir bei der Konsolidierung
des Unternehmens voll auf Kurs liegen. Wir haben auch im dritten Jahr
in Folge unsere Nettoschulden weiter abgebaut und somit finan-zielle
Disziplin bewiesen. Das hat zur Folge, dass wir unser Eigenkapital um
17% auf gesamt 13,1 Mrd. Euro weiter aufstocken konnten. Für
die Aktionäre bedeutet dies auch in diesem Jahr eine
Ausschüttung von mindestens 15% Dividende je Stamm- und
Vorzugsaktie.
Finanziellen Spielraum nutzen
Für
die Finanzen des Konzerns warb Vorstandsmitglied Klaus Sturany, dem es
sichtlich Freude bereitete das Konzernergebnis vor den Journalisten
auszubreiten. 42 Mrd. Euro Umsatz machte RWE in 2005. Das EBITDA
erreichte mit 8,3 Mrd. Euro knapp den Wert von 2004. Beim
Betriebsergebnis legte RWE um 4% auf 6,2 Mrd. Euro zu. Das neutrale
Ergebnis ging auf 700 Mio. Euro zurück, wobei die
Gründe in diversen Abschreibungen und
Veräuße-rungsgewinnen zu suchen sind. Zudem
verzögert sich die Privatisierung der
Wasseraktivitäten in den USA stärker als erwartet.
Cash Flow und ROCE erreichten Zuwächse, die
über den erwarteten Zielmarken lagen, die
Unternehmensführung besonders freut.
Umweltverträglichkeit
Umweltschutz,
Mitarbeiterausbildung und Verantwortung sowie gesellschaftliche
Verantwortung gehören zu den herausragendsten stützen
des Konzerns, welche das Unternehmen nachhaltig nach außen
präsentieren. Die Umweltpolitik ist ein zentrales Thema, das
sich auch die neue Bun-desregierung zu eigen gemacht hat. Allerdings
haben die vergangenen internationalen Ereignisse gezeigt, dass Erdgas
nicht das Evangelium der Energieversorgung sein kann und darf. Ein
gesunder Energiemix ist das A und O einer ausgewogenen und sicheren
Energieversorgung. Deshalb ist es von herausragender Bedeutung die
eigenen Stärken und Ressourcen noch besser zu nutzen und
auszubauen.
Vernetzung der
Strommärkte
Grenzüberschreitende
Stromlieferungen sind längst kein Thema mehr. Dennoch hapert
es an den Übergangsstellen, besonders in Richtung Frankreich,
wo die Übertragungskapazitäten den Abgabemengen nicht
standhalten. Hier kam es des öfteren zu
Netzsicherheitsproblemen. Dem oll nun durch den Bau einer neuen
Energietrasse im 380.000 Volt Bereich genüge getan werden.
Zwischen dem niederländischen Partner Tenne T und RWE wird
derzeit geprüft, wie diese Verbindung in Richtung Niederlande
hergestellt werden kann. Nicht nur die Netzsicherheit würde
erhöht, auch der Stromtransport in Richtung Frankreich
ließe sich um 30% ausweiten. Allerdings behindern die viel zu
langwierigen Genehmigungsverfahren den zügigen Ausbau der
Trassen. Gleiches gilt auch für den Emissionshandel mit CO 2
Zertifikaten, wo sich die politischen Entscheidungsträger mit
Blick auf die rasante Entfaltung des europäischen Marktes und
der Liberalisierung der Energiemärkte schwer tun.
Kernernergie
Wer
einen vertretbaren, realistischen Energiemix und eine
glaubwürdige Energiepolitik verkaufen will, der kommt um die
Kernkraft nicht herum. Es muss ohne ideologische Scheuklappen
über dieses Thema neu verhandelt und nachgedacht werden. Um
Deutschland herum schießen die AKW wie Pilze aus dem Boden,
während in der BRD für die meisten Kernkraftwerke
bereits die Totenglocken läuten. Das ist völlig
unrealistisch und geht am Energiebedarf der Zukunft absolut vorbei. Der
Ausfall der Kernenergie ist am deutschen Energiemarkt derzeit und auch
auf absehbare Zeit nicht zu ersetzen. Richtig ist jedoch in die
Sicherheit der bereits laufenden Kraftwerke zu investieren, die
Forschung in neue Projekte noch stärker zu intensivieren und
damit die Kernenergie noch sicherer zu machen. Roels verwies an dieser
Stelle auf das Kraftwerk Biblis.
Ausblick 2006
Deutschland
exportiert derzeit mehr Strom als es einführt. Hernach
können die Standortbedingungen in der BRD nicht so schlecht
sein, wie allenthalben immer wieder behauptet wird. Wir lassen daher
unsere Investitionen auf Hochtouren laufen, schließen
Lieferverträge mit ausländischen Gesellschaften ab
und gehen davon aus, dass sich in der BRD die wirtschaftlichen wie
politischen Rahmenbedingungen nachhaltig ändern. Nur dann
machen Investitionen in Milliardenschwere Objekte
betriebswirtschaftlich einen Sinn. Abschließend bleibt zu
sagen, dass der RWE Konzern auch für 2006 mit einer weiteren
Ergebnisverbesserung rechnet, wobei der Konzernumsatz auf der
Höhe des Vorjahres liegen wird. Das Betriebsergebnis pendelt
sich nach Einschätzung des Vorstandes zwischen 5 und 10
Prozent Zuwachs ein, das Nettoergebnis wird in einer
Größenordnung zwischen 10 und 20 Prozent ansteigen.
Beim ROCE (Rendite auf das eingesetzte Kapital) werden wir die
angestrebte Rendite von mindestens 14 Prozent deutlich
übertreffen.
Internet: www.rwe.com |