Jahresempfang der Hauptverwaltung

Sehr geehrte Ehrengäste, meine Damen und Herren,

 

herzlich willkommen zum Jahresempfang ihrer Bundesbank im Norden! Neues Jahr, neue Einsichten und neue Aussichten. Der Emporio Tower bietet sich geradezu an, mit dem Perspektivenwechsel zu spielen. Anstelle des Hafenpanoramas aus dem Empire Riverside Hotel – die Mikroperspektive – sehen wir hier ganz Hamburg quasi aus der Vogelperspektive.

Besonders herzlich begrüßen möchte ich unsere heutigen Gastredner, Frau Dr. Toffel aus dem Vorstand der Kieler Volksbank sowie unser Vorstandsmitglied Dr. Joachim Nagel

Peter Griep, Präsident der Hauptverwaltung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein

Frau Dr. Caroline Toffel ist seit Juli 2011 Mitglied des Vorstandes der Kieler Volksbank und leitet damit eine Genossenschaftsbank mit einer Bilanzsumme von etwa einer Milliarde Euro. Frau Dr. Toffel hatte zuvor Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien und in den USA studiert und im Anschluss daran – ebenfalls in Wien – ihren Doktorgrad erworben.
Bei der Kieler Volksbank begann sie ihre Tätigkeit als Vorstandsassistentin und übernahm dann im Laufe der Jahre immer weitere Aufgaben. Vielen Dank, liebe Frau Dr. Toffel, dass Sie heute zu uns gekommen sind!


Herr Dr. Nagel startete im Jahr 1999 als Leiter des Büros des Präsidenten bei der damaligen Landeszentralbank in Hannover. Danach kam er über verschiedene Stationen bis in das Spitzenamt im Zentralbereich Märkte in Frankfurt und wurde schließlich am 1. Dezember 2010 in unseren Vorstand berufen. Zuvor hatte er in Karlsruhe Volkswirtschaftslehre studiert, wo er – nach einem kurzen Abstecher in den Politikbetrieb – auch seinen Doktorgrad er-warb. Zwischendurch hatten ihn seine Forschungen auch in die USA (nach Washington, D.C.) geführt.


Ein herzliches Willkommen auch dem Duo „Die Herren“! “Die Herren“ werden uns nachher in die „Goldenen Zwanziger“ und (nicht mehr so goldenen) dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts entführen und uns mit Gypsy-Swing, Jazz-Standards und verschiedenen Liedern dieser Zeit unterhalten.
Die Musik spiegelt das Lebensgefühl und die Widersprüche dieser Epoche wider. Die Zwanziger und Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts stehen wie kaum eine Epoche für globale politische und wirtschaftliche Umwälzungen und Spannungen bis in die krisenhafte Zuspitzung der bis dahin größten Finanzkrise und den zweiten Weltkrieg. Die damit verbundenen Fragestellungen beschäftigen uns bis in die Gegenwart. Dabei lehrt uns die Geschichte, dass die Folgekosten von großen wirtschaftlichen und politischen Fehlentwicklungen unkalkulierbar sind, ja unvorstellbare Ausmaße annehmen können. Die Ursachenbekämpfung solcher Fehlentwicklungen muss deshalb auf der Prioritätenliste ganz oben stehen.


Großprojekt Europäische Währungsunion

Nun zur Gegenwart. Wenn man sich die Nachrichten des vergangenen Jahres anschaut, so lässt sich eine klare Zweiteilung erkennen. In der ersten Jahreshälfte dominierte ganz klar die Krise im Euroraum.
Zwar war in den Medien zumeist von einer Krise in bzw. um Griechenland die Rede, aber de facto ging es ja um viel mehr, nämlich um die Zukunft unserer Währungsunion und damit auch der Europäischen Union. Letzteres bereichert um die Diskussion über einen möglichen EU-Austritt von Großbritannien.


In der zweiten Jahreshälfte beherrschte dann die Flüchtlingskrise sämtliche Nachrichten. Die zuletzt fehlenden Schlagzeilen zu den Problemen in der Eurozone dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die zentralen Herausforderungen in der Währungsunion weiterhin alles andere als gelöst sind.
Einige wichtige Reformprojekte sind im Verlauf der Finanzkrise auf den Weg gebracht worden. Es gibt Fortschritte beim Abbau der Ungleichgewichte zwischen den Ländern der Währungsunion.


Aber die Wirtschafts- und Finanzkraft der einzelnen Teilnehmerländer ist noch sehr unterschiedlich, nach wie vor existiert eine hohe Uneinigkeit bei Fragen der wirtschafts- und ordnungspolitischen Grundausrichtung sowie bei der Interpretation des bestehenden Regelwerks der Währungsunion.
Bei dieser Krise, die uns ja nun schon seit etlichen Jahren beschäftigt, drängt sich mir unwillkürlich ein Vergleich mit einem Großprojekt hier in Hamburg auf.
Am Beispiel des Elbphilharmonieprojekts kann man gut erkennen, warum es Großprojekte in der Praxis oft schwer haben. Und wenn man das vor Augen hat, ist der Gedankensprung zur Europäischen Währungsunion nicht mehr sehr weit.
Beim Rückblick auf die Baugeschichte der Elbphilharmonie lassen sich sehr rasch verschiedene Projektphasen erkennen. So ist am Anfang erst einmal viel Euphorie da; und die braucht man auch, denn sonst lässt sich ein Projekt dieser Größenordnung nicht in Gang setzen!
In der euphorischen Phase werden hohe Erwartungen geschürt. Potentielle Probleme werden ignoriert oder als unnötiges Störfeuer abgetan.
Im fortlaufenden Projektbetrieb werden fehlende Projektvoraussetzungen deutlich, Planungsfehler, mangelhafte Ressourcenausstattung, unzureichende Steuerung, laufende Änderungen des Projektziels und es kommt zur Phase der Ernüchterung. Gut gemeinte Idee trifft Realität.
Technische Schwierigkeiten tauchten auf, die Kosten vervielfachen sich, und die öffentliche Begeisterung ist schnell verraucht! Das Projekt gerät in den Krisenmodus. Plötzlich ziehen die Beteiligten nicht mehr an einem Strang, handfeste Interessenkonflikte brechen auf.
Nach der Euphorie- und der Krisenphase kommt eine Stillstandsphase, in der zunächst gar nichts mehr geht. Eine Seite schiebt der anderen den „Schwarzen Peter“ zu, und zudem zeigt sich, dass die Interessen der privat-wirtschaftlichen Akteure nicht immer mit den Wünschen der öffentlichen Hand harmonieren.
Derartige Interessenkonflikte sind ja in einer Marktwirtschaft nicht ungewöhnlich, aber erst in Krisenzeiten werden sie mit unübersehbarer Schärfe deutlich.
So ist es dann auch keine Überraschung, dass die Elbphilharmonie bald die Gerichte beschäftigt; doch es wird schnell klar, dass die Justiz keine geeignete Lösungsinstanz ist, wenn es um historisch einmalige Großprojekte ohne Präzedenzfälle geht.
Letztendlich kommt es zu einer einvernehmlichen Lösung. So ist trotz aller zwischenzeitlichen Krisen der Eröffnungstermin im Januar 2017 inzwischen in greifbare Nähe gerückt.


Und nun zu unserem Großprojekt der Europäischen Währungsunion. Dieses Projekt braucht ohne Zweifel einen noch längeren Atem als die Elbphilharmonie, aber manche Analogien drängen sich meines Erachtens geradezu auf. Wie bei der Elbphilharmonie geht es nämlich auch beim gemeinsamen „Haus Europa“ darum, auf ein altes Fundament – nämlich das Erbe der Mitgliedsländer – etwas Neues zu setzen, um damit unseren Kontinent fit für die Zukunft zu machen! Und in beiden Fällen sehen wir: wenn sehr viel Neues auf Altes trifft, entsteht Krisenpotential. Das können bautechnische und finanzielle Krisen wie bei der Elbphilharmonie sein, wo die Anforderungen/Voraussetzungen für den Bau eines modernen Konzerthauses auf den Fundamenten eines alten Speichers massiv unterschätzt wurden. Das europäische Pendant dazu sind die oft zitierten und massiv unterschätzten Voraussetzungen, die eine gemeinsame Währung im Kontext eines fehlenden institutionellen Fundaments bzw. unzureichender Kontroll- und Anreizmechanismen benötigt, um stabil und nachhaltig zu sein.
Und auch in dieser Frage können wir mit Blick auf die Elbphilharmonie eine zentrale Erkenntnis gewinnen: man muss für langfristig stabile Fundamente sorgen! Das geht nicht ohne die Beachtung bestimmter Gesetzmäßigkeiten, sei es nun im Bereich der Statik oder der Ökonomik.


Deswegen ist es definitiv nicht hilfreich, in Krisenzeiten in erster Linie die Fassaden zu polieren, oder nach Scheinlösungen zu suchen, die die Kern-probleme unangetastet lassen. Diese Kernprobleme lassen sich im Grundsatz auf den folgenden gemeinsamen Nenner bringen: Mit der Gründung der Währungsunion wurde die Geldpolitik vergemeinschaftet, während die übrigen Politikbereiche größten-teils in nationaler Zuständigkeit verblieben sind. Ein möglicher Ausweg sieht eine verbesserte europäische Zusammenarbeit durch verbindliche Regeln vor, die von allen Mitgliedsländern einzuhalten sind. Die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen zur Einhaltung dieser Regeln ist allerdings nicht trivial.
Wichtigste Voraussetzungen sind ein gemeinsames Vorverständnis über grundlegende ökonomische Sachverhalte und ordnungspolitische Grund-prinzipien (etwa die Einheit von Verantwortung und Kontrolle) und eine genügend institutionalisierte Durchsetzungskraft, die sich politischer Willfährigkeit entzieht. Bei diesen Herausforderungen wünsche ich mir vor allem von der Europäischen Kommission, dass sie Führungsstärke zeigt und Regelbrüche in Europa nicht toleriert.
Die kontinuierliche Aushöhlung von Rechtsnormen durch einzelne Länder untergräbt das Fundament des gemeinsamen Hauses Europa, in das die Währungsunion eingebettet ist. Daher wäre mein Wunsch für das begonnene Jahr, dass geltendes Recht und vereinbarte Regeln in Europa wieder mehr Durchsetzungskraft erhalten, und zwar in allen Bereichen. Das gilt für das Recht ebenso wie für finanzpolitische Vorgaben.
Die gesamte politische Reaktionsfunktion auf die Krise muss auf den Prüfstand. Auch ein zu langes Zeitkaufen durch die Geldpolitik hat Folgekosten, wenn die anderen Politikbereiche notwendige Reformen vernachlässigen.
Dass es bei unterschiedlicher nationaler Interessenlage in demokratischen Gesellschaften schwierig ist Reformen durchzusetzen, möchte ich nicht bestreiten. Ich habe hohe Achtung vor einer Politik, die Partikularinteressen überwindet und so einen Weg zu mehr nachhaltigem Wachstum ebnet. Jean-Claude Juncker hat das dabei entstehende politische Dilemma sehr anschaulich beschrieben: „Wir wissen alle, was zu tun ist, aber wir wissen nicht, wie wir wieder gewählt werden, wenn wir es getan haben“.



Gäste, aus Wirtschaft und Politik, Jahresempfang Deutsche Bundesbank – HV - HMS

Als Ökonom kann ich nur anmerken, dass die Kosten-Nutzen-Relation von langfristig orientierter kluger Politik positiv ist. Dabei ist selbst die Entlohnung des Politikers für die Gesellschaft recht preiswert: der Lohn besteht in der positiven Erwähnung im Geschichtsbuch!



Dr. Caroline Toffel, Dr. Joachim Nagel, Peter Griep

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Mein Wunsch für das laufende Jahr lautet: wenn wir im kommenden Januar anlässlich der Eröffnung der Elbphilharmonie auf das Jahr 2016 zurückblicken, können wir hoffentlich feststellen, dass Europa unter dem Druck der Krisenereignisse in seinen Grundfesten gestärkt wurde und wir mit neuem Optimismus in die Zukunft schauen können.



Dr. Joachim Nagel | Peter Griep u. Marcel Schäffler im Gespräch


Gäste: Jahresempfang Deutsche Bundesbank – HV – HMS | geladene Gäste, Musiker „Die Herren“



Internet: www.bundesbank.de


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Textzusammenstellung: © Ermasch - Presse - Service, R. Schäffler
Fotos: © EPS-Schäffler, Marcel Schäffler
Quelle: Deutsche Bundesbank, Eröffnungsrede Peter Griep

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